Erst kürzlich gab es hier einen Eintrag über ein Spukhaus. Wer noch immer von verwunschenen Häusern nicht genug bekommt, oder das Ganze einfach in moderner und experimentellerer Form präsentiert haben möchte, der sollte einen Blick auf Mark Z. Danielewskis House of Leaves werfen.

Das “Haus der Blätter” setzt sich aus mehreren Handlungssträngen zusammen, die sich, ganz ähnlich dem Hause im Mittelpunkt einer dieser Stränge, auf verschiedenen, ineinander verschachtelten Schichten befinden. Da sind zum einen die namenlosen (fiktiven) Herausgeber, die sich nur an wenigen Stellen direkt an die Leser wenden, deren weiterer Einfluß auf den Inhalt des Buches, sofern sie diesen überhaupt hatten, im Unklaren bleibt. Sie präsentieren uns hier das Manuskript eines gewissen Johnny Truant. Neben Anekdoten aus seinem Leben und Einblicke in den zunehmenden Verfall seiner geistigen Gesundheit bestehen Truants Ausführungen vor allem aus Kommentaren und Rechercheergebnissen zu einem weiteren Manuskript, das er aus dem Nachlass eines kürzlich ohne rechtmäßige Erben verstorbenen Eigenbrötlers rettete. Keiner der Nachbarn kannte den wahren Namen des verschlossenen Sonderlings, der sich selbst, nach einer Figur aus Fellinis La Strada, bloß Zampanò nannte. Zampanò, der mit Blindheit geschlagen war, hatte neben einigen streunenden Katzen nur wenig sozialen Umgang. Hin und wieder bezahlte er Studenten um ihm vorzulesen und ihm bei der Niederschrift seines Manuskriptes zu helfen, aber Johnny Truants späteren Interviews mit einigen dieser Studenten befördern nur wenige bruchstückhafte Informationen zutage. Das Werk des geheimnisvollen Exzentrikers ist eine fast schon wissenschaftliche Abhandlung über, vielleicht überraschenderweise bedenkt man seine Blindheit, einen Film, The Navidson Record. Dieser Film, die nächste und unterste Ebene in House of Leaves, dokumentiert Will Navidsons Versuche die unerklärlichen Geheimnisse seines Hauses zu lüften. Navidson, ein weltweit renommierter Photograph, kaufte dieses antike Haus im ländlichen New England in der Hoffnung in der idyllischen Abgeschiedenheit um durch einen Neuanfang seine in die Brüche geratene Ehe zu retten. Doch anstelle von Ruhe und Entspannung mehren sich rätselhafte Phänomene: das eben erst maßgenau eingepasste Bücherregal schließt auf einmal nicht mehr mit der Wand ab; Messungen ergeben, dass das Haus von Innen scheinbar breiter ist als von Außen; im Schlafzimmer erscheint eine Tür, die vorher nicht da war.

Es ist Ende Oktober. In den Einkaufsläden finden sich neben Weihnachtsgebäck und Lichterketten Regale mit Kürbissen und Plastikskeletten zum Aufhängen. Mit anderen Worten, Halloween steht vor der Tür.
Passend dazu eine kurz und knappe Leseempfehlung für Freunde von Schauergeschichten: The Haunted Hotel: A Mystery of Modern Venice von Wilkie Collins.

Der englische Schriftsteller erzählt hier eine Geschichte von Liebe, Habsucht, Wahnsinn und – der Titel Das Gespensterhotel lässt es bereits erahnen – geheimnisvollen Geistererscheinungen. Der Großteil des Buches ist aus der Perspektive der gutherzigen Agnes Lockwood erzählt. Noch vor Einsetzen des Textes löst ihr Verlobter, Lord Montbarry, ihren Bund auf um stattdessen die Gräfin Narona zu heiraten, die er erst kurz zuvor kennenlernte und um deren Lebenswandel in ganz Europa wilde Gerüchte die Runde machen. Agnes ist tieftraurig, aber ihre gute Art hindert sie daran Groll der Konkurrentin gegenüber zu empfinden. Die Gräfin selbst verkraftet die Situation weniger gut: noch vor Antritt der Hochzeitsreise nach Venedig wird sie von der festen Überzeugung geplagt, Agnes werde in naher Zukunft ihren Untergang einleiten. Eine selbsterfüllende Prophezeiung wie sich später herausstellen soll.

Mulligan Stew ist der Name, den, vornehmlich irische, Landstreicher im Amerika des frühen 20. Jahrhunderts einem Eintopf aus Fleisch, Kartoffeln und Gemüse gaben. Dieser wilde Mischmasch aus allen gerade zur Hand befindlichen Essensresten, der wohl selten zweimal genau gleich geschmeckt hat, erinnert auch an die Struktur des typischen Internetblogs und ist damit ein passender erster Eintrag in ein ebensolches.

Mulligan Stew ist ebenfalls der Titel eines Romanes von Gilbert Sorrentino und auch hier herrscht ein Durcheinander verschiedener Zutaten vor, sowohl was Struktur als auch Inhalt betrifft. Die auftretenden Figuren sind allesamt aus anderen Werken entlehnt, vor allem aus James Joyces Finnegans Wake (1939) und At Swim-Two-Birds (1939) von Flann O’Brien – dem Sorrentino das Buch auch gewidmet hat. Ähnlich wie At Swim-Two-Birds hat auch Mulligan Stew mehrere Ebenen, die die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit verschwimmen lassen. Noch vor dem Beginn des Romanes finden sich einige Auszüge aus Briefen von Verantwortlichen diverser Verlagshäuser, alle mehr oder weniger mit dem selben Inhalt: Das Buch Mulligan Stew eines gewissen Gilbert Sorrentino sei zwar durchaus gelungen, könne aber aus diesem oder jenen Grund derzeit nicht in ihrem Verlag erscheinen. Die Verleger sind erneut fiktive Charaktere aus anderen Büchern (u.a. William Gaddis’ JR (1975) und Malcom Lowrys Under the Volcano (1947) ) – der Inhalt der Briefe ist womöglich echt.